MOLLIS - Tiergestützte Traumapädagogik im Ländle 

 

Ziel des Projekts „MOLLIS - Tiergestützte Traumapädagogik“ ist es, Asylsuchende und

bleibeberechtigte Personen durch gezielte tiergestützte Interventionen im Bereich der Traumabewältigung vor allem in Bezug auf die emotionale Stabilisierung, die

Selbstbemächtigung und die Selbstwirksamkeit zu unterstützten. Das emotionale und soziale Lernen sowie die Resilienz der jeweiligen teilnehmenden Personen soll dabei gefördert und gestärkt werden. Dies sind unter anderem wesentliche Schwerpunkte innerhalb der  Extremismus-Prävention auf der Mikro-Ebene.

Sanfte und empfindsame Interventionen
Der Kurztitel MOLLIS ist zurückzuführen auf die lateinische Bedeutung des Wortes „mollis –
lat. weich, sanft, empfindsam“. Tiergestützte Traumapädagogik braucht sanfte, empfindsame Interventionen. Tiere sind sanfte, weiche Co-Therapeuten. Wir möchten unserer Zielgruppe im Projekt „MOLLIS – Tiergestützte Traumapädagogik“ weiche, sanfte, empfindsame und sichere Interventionen anbieten.

Tiergestützte Interventionen und  Mensch-Tier-Beziehungen

Nach ESAAT (2012), der Dachorganisation für tiergestützte Therapie, umfasst diese, „bewusst   geplante pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote mit Tieren für Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie Ältere mit kognitiven, sozial-emotionalen und motorischen Einschränkungen, Verhaltensstörungen und Förderschwerpunkten. Sie beinhaltet auch gesundheitsfördernde, präventive und rehabilitative Maßnahmen.“
Um die Einwirkungsbereiche der Mensch-Tier-Beziehung im Zuge tiergestützter
Interventionen zu erklären, werden vier wissenschaftliche Erklärungsansätze und Modelle
heranangezogen: die Biophilie-Hypothese, das Konzept der Du-Evidenz, Ableitungen aus der
Bindungstheorie und das Konzept der Spiegelneurone (auf dieses wird im Weiteren nicht
genauer eingegangen). Die Biophilie-Hypothese besagt kurz umrissen, dass der Mensch tief
verwurzelte Verbundenheit zur Natur und allen Lebewesen hat.
 Das Konzept der Du-Evidenz kommt zum Tragen, wenn in einem Gegenüber, einem Lebewesen, ein „DU“ erkannt wird, mit dem eine Beziehung eingegangen werden kann. Mit bindungstheoretischen Ableitungen in Bezug auf die Mensch-Tier-Beziehung wird versucht darzustellen, dass mit Tieren positive Bindungserfahrungen gemacht werden können, welche nach Beetz (2003) „auf die soziale Situation mit Menschen übertragen werden können“ (S. 81). (vgl. Vernooij/Schneider, 2018, S. 4-11).
 Diese Erklärungsansätze und Modelle sind grundlegend und werden in der
tiergestützten Arbeit mitbedacht. Weitere Wirkungsbereiche der Mensch-Tier-Beziehung sind beispielsweise auf hormoneller Ebene beobachtbar. Hier ist speziell das sogenannte
Kuschelhormon „Oxytocin“ zu erwähnen, welches im Kontakt mit Tieren aufgebaut wird. Somit wirkt der tierische Kontakt unter anderem Angst reduzierend, verringert depressive
Verstimmung und erhöht somit die Möglichkeit für soziale Interaktion (vgl. Julius et. al., 2014).
Traumapädagogik ist Ressourcenarbeit
Die Traumapädagogik zielt auf die emotionale und soziale Stabilisierung, Selbstregulation
sowie Selbstbemächtigung ab. Das Individuum soll innerhalb eines sicheren Ortes wieder
lernen, eigenmächtig die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu können und
sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden. Traumapädagogik ist gekennzeichnet von
Ressourcenarbeit und Körperarbeit, Zeit und Geduld (vgl. Weiß, 2013, S.16-21). Angewendete Methoden innerhalb der Traumapädagogik sind beispielsweise der innere sichere Ort, Körperwahrnehmungsübungen, Unterstützung zur Selbstbemächtigung durch
Wissensaneignung über Traumafolgestörungen, Förderung der Selbstakzeptanz durch das
Verstehen von eigenen Verhaltensweisen, Ressourcenübungen, Unterstützung im Zugang zu den eigenen Gefühlen finden, Selbstregulation unterstützen, die Arbeit mit dem inneren Team, und viele andere (vgl. Weiß, 2013, S. 167-181).

Tiergestützte Traumapädagogik
Werden beide Schwerpunkte des Projekts „MOLLIS“ zusammengeführt – Tiergestützte
Traumapädagogik – ist es eine sanfte, gewinnbringende Herangehensweise für die
Klient*innen, welche Sicherheit verschafft. Die Klient*innen können über das Tier als
Brückenbauer*in in Kontakt treten und so mitunter einen Zugang zu sich selbst finden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass unter Einbezug weiterer theoretischer Aspekte wie beispielsweise der Bindungstheorie mit einem gezielten Einsatz sowie methodisch geplanten Interventionen, auch in der Traumabewältigung unterstützende Effekte erreicht werden können.
Das vorliegende Projekt ist in der praktischen Durchführung angelehnt an das Arbeitskonzept „Trauma-Tipi“ (tiergestützte Traumapädagogik in der stationären Jugendhilfe) von Ingeborg Andrea de Hair, bestehend aus 3 Phasen: Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Selbstbemächtigung – drei wesentliche Aspekte in der Traumabewältigung (vgl. DE HAIR,
2017, S. 20 ff). Im Zuge dieses Projektes wird nicht im stationären Bereich gearbeitet, weshalb das „Trauma-Tipi“ nicht 1:1 übernommen werden kann.
Beginnend mit einem Gruppeneinstieg, in dem das Augenmerk auf das Heranführen an das
Thema „Tiere und ihre Bedürfnisse“ liegt, soll die Affinität für Tiere der teilnehmenden
betroffenen Personen beobachtet werden. Ebenso bedarf es einem ersten Beziehungsaufbau zwischen den Klient*innen und den Projektmitarbeiter*innen, dem Erschaffen von Sicherheit, eines sicheren Raumes für jede*n Einzelne*n sowie die Gruppe als Ganzes.
Gruppensetting
In den Gruppensettings findet eine Abklärung für das Interesse an einem Einzelsetting statt.
In weiter führenden Einzeleinheiten wird mit ausgebildeten Therapiebegleithunde-Teams
(TBH-Teams) – bestehend aus Mensch (Halter*in) und Hund/Hündin – als Partner*innen
zusammengearbeitet. In einem ersten Schritt erfolgt ein sanftes Heranführen an die Tierart
Hund, da eine Überforderung aller Beteiligten, insbesondere der traumatisierten Person,
vermieden werden muss. Für die jeweilige*n Klient*innen erfolgt eine individuelle Ausarbeitung eines Hilfeplans mit gezielten Interventionen zur Förderung und Unterstützung in den unterschiedlichen Phasen – Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Selbstbemächtigung. In den laufenden Prozessen soll es immer wieder möglich sein zu traumapädagogischen Gruppensettings zurückzukehren, um Gruppenerfahrungen zu machen. Ebenso ist es ein Ziel, Erfahrungen mit anderen Tierarten zu sammeln (z.B. bei einer Alpakawanderung).

Wichtig ist es zu jeder Zeit eine Überforderung des eingesetzten Tieres zu vermeiden. Der
tierische „Co-Therapeut“ muss in jedem Setting die Möglichkeit haben, sich zurückziehen zu
können. Es liegt an der Fachperson die Einheit zielgerichtet weiterführen zu können und das
Wohlbefinden aller Beteiligten sicherzustellen. Tiergestützte Einheiten bedürfen nicht immer der physischen Anwesenheit oder der direkten Interaktion mit einem Tier, sondern das Reden über oder das Beobachten von einem Tier kann ebenso eine Wirkung erzielen – vor allem in Phase 1 „Sicherheit“. An dieser Stelle ist es aus fachlicher Sicht zu erwähnen, dass die Verantwortung für die fachliche Vorbereitung, Intervention und Nachbearbeitung zum Wohle des Klientel stets bei den Projektmitarbeiter*innen liegt. Eine gemeinsame Vorbereitung mit dem TBH-Team obliegt ebenso diesen Fachkräften. Es liegt in der Verantwortung des menschlichen Parts des TBH-Teams jederzeit auf das Wohl des eingesetzten tierischen Co-Therapeuten zu achten.

Auch ohne Tiere 

Im Zuge des Projekt „MOLLIS -Tiergestützte Traumapädagogik“ ist es bei Bedarf möglich,
dass Einheiten auch ohne Tier geplant werden. Es muss jederzeit das Wohl und die
Zielsetzung des Gegenübers im Mittelpunkt stehen.
Anzumerken ist, dass nicht jede Person, die an einer Traumatisierung leidet in der Lage ist an einem Gruppensetting teilzunehmen. Für diesen Fall gibt es die Option mit einem Einzelsetting zu starten und den gesamten Prozess im Einzelsetting zu verweilen oder je nach Zielsetzung zu einem späteren Zeitpunkt einem Gruppensetting beizuwohnen.
Herangezogen werden für die Gruppen- und Einzelsettings Methoden aus Fachdisziplinen der durchführenden Projektmitarbeiter*innen. Diese stehen in regelmäßigem Austausch mit der im Projekt mitarbeitenden Psychotherapeutin, um fallspezifische Coachings anhand der Hilfepläne und psychotherapeutischen Anleitung im Einzelfall stattfinden zu lassen. In
regelmäßigen Teambesprechungen wird der traumasensible Zugang gewissenhaft reflektiert. 


Literatur:
BEETZ, A. (2003): Bindung als Basis sozialer und emotionaler Kompetenzen. In: OLBRICH.E.
OTTERSTEDT, C. (Hrsg):
Menschen brauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie. Franckh- Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart. S. 81
JULIUS, H. BEETZ, A. KOTRSCHAL, K. TURNER, D.C. UVNÄS-MOBERG, K. (2014): Bindung zu Tieren. Psychologische und neurobiologische Grundlagen tiergestützter Interventionen. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen.
WEISS, W. (2013): „Wer macht die Jana wieder ganz?“ Über Inhalte von Traumabearbeitung und Traumaarbeit. In: BAUSUM, J.
BESSER, L. KÜHN, M. WEISS, W. (Hrsg.): Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische
Praxis. 3. Aufl., Beltz Juventa Verlag, Weinheim und Basel. S. 14 - 23
WEISS, W. (2013): Selbstbemächtigung – Ein Kernstück der Traumapädagogik. In: BAUSUM, J. BESSER, L. KÜHN, M. WEISS, W. (Hrsg.): Traumapädagogik. Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis.
3. Aufl., Beltz Juventa Verlag, Weinheim und Basel. S. 167 - 181
VERNOOIJ, M: A. SCHNEIDER, S. (2018): Handbuch der Tiergestützten Intervention. Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co, Wiebelsheim. S.4-11

Zeitschriften:
DE HAIR, I. A. (2017): Das Trauma-Tipi. Augsburg. e&l – erleben und lernen. 6/2017. S.20 – 22 World Wide Web:
European Society for Animal-Assisted Therapy. [ESAAT]. (2012): Definition „Tiergestützte Definition“ https://www.esaat.org/fileadmin/medien/downloads/Die_Definition_TgT-20.2.2012.pdf Accessed: 2021-06-10